MARC MARCOVIC - COINCIDENTIA OPPOSITORUM
„Coincidentia Oppositorum“ ist ein zentraler Begriff im weitläufigen philosophischen Denkgebäude des Universalgelehrten Nikolaus von Kues, und beschreibt das Zusammenfallen der Gegensätze zu einer Einheit, in der sich die Widersprüche zwischen scheinbar Unvereinbarem auflösen. Bei von Kues ist die unendliche Einheit der Gegensätze theologisch in der Konstruktion der Gottesdefinition aufgelöst. Auf die Zeit bezogen ist das Zusammenfallen von Vergangenheit und Zukunft die Gegenwart. Jener gespenstische Zeitpunkt, den man nicht fassen kann, da er im Moment des Erlebens schon wieder vorbei ist. Und als wäre es nicht ohnehin schon kompliziert genug, kommt noch ein weiterer Umstand erschwerend hinzu: Durch die digitalen Medien befinden wir uns heute in einem indifferenten, ontologischen Zwischenzustand der Gleichzeitigkeiten, in dem pausenlos glänzende Simulationen von Authentizitäten an die Wand der Gegenwart unserer digitalen Höhlen projiziert werden.
Die Konzert-Performance von Marc Marcovic-„Coincidentia Oppositorum“ reflektiert die Gegenwart als einen hypothetischen Sehnsuchtsort der Koinzidenz, an dem das dualistische Denken überwunden wurde. Begleitet von einer klassischen Gitarre improvisiert er auf Anhieb alle Sprachen die es nicht gibt, und transformiert mit schlafwandlerischer Sicherheit vergessene Melodien, Legenden und verschollenes Liedgut zu einem akustischen Erinnerungsmaterial. Unterstützt durch Videos von imaginären Landschaften entsteht eine Szenografie, die einen magischen Realismus evoziert.
Marc Marcovic ist ein theoretisches Simulacrum das sich selbst in Frage stellt. Er könnte ein Charakter aus der fiktiven Kulturanthropologie „Tlön, Uqbar, Orbis Tertius“ von Jorge-Luis Borges sein, in der die Utopie einer idealen Gesellschaft beschrieben wird. Die empirische Welt einer konkreten Realität existiert hier nur als Idee, der Begriff des Raumes und der Autorenschaft sind unbekannt, die Verbindung von Ursache und Wirkung sind bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Marc Marcovic ist ein Troubadour der Anamnese, ein zeit- und heimatloser Ashok, der seine phonetischen Sprachwelten mit hauntologischer Melancholie aus dem kollektiven Unbewussten entwickelt, indem Bruckstücke von Erfahrungen und fragmentarisches Denken zu einem mythisch neuen Ganzen zusammengesetzt werden. Als Spiegelbild seiner eigenen Simulation behauptet die Kunstfigur Marc Marcovic ihre Existenz in einem halluzinatorischen Niemandsland zwischen Spekulation und Gewissheit.
Die Welt des Marc Marcovic ist jedoch kein eskapistischer Gegenentwurf im Sinne einer sichselbst-optimierenden städtischen New-Age-Kultur-Elite, sondern ein Aufruf die verlorene Zukunft zurückzugewinnen.
„Die Musik steht für die Weigerung, das Verlangen nach der Zukunft aufzugeben. Diese Weigerung verleiht der Melancholie eine politische Dimension, insofern sie es ablehnt, sich mit dem begrenzten Horizont des kapitalistischen Realismus zu arrangieren.“
(Mark Fisher, 2014, Ghosts of my life, Zero Books)
Music & Video: https://www.youtube.com/channel/UC7NZzgXVNahJqnVV3I_rELw
Marc Weiser studierte Philosophie, vergleichende Musikwissenschaft und Sound Studies in Berlin und Düsseldorf. Arbeitet seit Mitte der 90er Jahre als Konzertveranstalter und Musiker. Er war Mitgründer und langjähriger Co-Festival-Leiter des CTM-Festivals, kuratierte u.a. das Musikprogramm des Roten Salons der Volksbühne, machte Hörspiele für den Deutschlandfunk, hat Musik für Werbung, Tanz- und Filmprojekte realisiert, Remixe für z.B. Apparat, T.raumschmiere, Iannis Xenakis, Iggy Pop gemacht, Tourneen für Hauschka, Johann Johannsson etc. organisiert,
Als Musiker international bekannt wurde Marc Weiser u.a. als Teil der Audio/Video-Pioniere „Rechenzentrum“, und als ehemaliges Mitglied des Ensembles für genreübergreifende, zeitgenössische Musik „Zeitkratzer“ (Zusammenarbeiten mit Lee Renaldo, Keiji Haino, Lou Reed, Carsten Nicolai, Fennesz etc.)
http://fsblumm.free.fr/
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